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AKKORDE GREIFEN

Was die Lehrbücher nicht lehren

Du übst Wochen lang an einem Akkord, doch er will einfach nicht besser werden – kommt dir bekannt vor? Bis wir die Basics gelernt haben, landen wir immer wieder in Situationen wie dieser. Doch es muss nicht immer Wochen dauern. Im Folgenden erfährst du, wie du schneller durch diese Phasen gelangst und effektiver üben wirst!

Wie funktioniert's?

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass jeder Bewegung eine Reihe von Prozessen vorausgeht. Wenn wir zum Beispiel unseren Zeigefinger ausstrecken wollen, muss die Information zunächst unseren Zeigefinger erreichen (Konzentration). Diese Information sagt jedem einzelnen Muskelstrang und jeder Sehne, was zu tun ist. Bevor wir die Information an unseren Zeigefinger senden können, muss allerdings eine Vorstellung des Zeigefingers, der Gelenke und der vollendeten Bewegung existieren (Visualisierung). Erst dann, können wir die Bewegung korrekt ausführen. Für ein Baby ist das bewusste Bewegen eines einzelnen Fingers unendlich schwierig. Es erfordert ein hohes Maß an Konzentration um das zu tun. Vor allem, wenn diese Bewegung zuvor noch nie bewusst gesteuert wurde. Wenn wir ein Instrument lernen, sind wir wie Babys, die ihre ersten motorischen Fähigkeiten erlernen. Wir entdecken unsere Beine, Füße, Hände und Finger. Alles Neuland. Es will oftmals nicht so richtig klappen, wie wir das wollen, denn wir haben noch keine wirklich gute Vorstellung der Bewegungen. Der Vorteil, den wir gegenüber den Babys haben, ist, dass wir die neuen motorischen Fähigkeiten mit bereits erworbenen Fähigkeiten verknüpfen können. Wir haben die meisten Bewegungen im Prinzip schon mal gemacht, nur eben mal mehr und mal weniger bewusst. Nun gilt es, den Bewegungen, die bisher keine größere Bedeutung für uns hatten, eine zu geben. Das tun wir, wenn wir üben und spielen. Ordnen wir die Prozesse, die der Bewegung vorausgehen, chronologisch, ergibt sich folgende Kette: 

 Visualisierung - Konzentration - Bewegung

 

In aller Regel, konzentrieren wir uns nur auf das letzte Glied der Kette, die Bewegung. Das bedeutet, dass wir die Visualisierung und die Konzentration sich selbst überlassen und die Akkorde so oft wiederholen müssen (korrekt ausgeführt), bis wir ohne das zu beabsichtigen, ein klares Bild (welches das Fingergefühl und Bewegungsgefühl mit sich bringt) vor Augen haben. Erst dann beginnt langsam aber sicher, alles wie von alleine zu klappen. Der einfachste und effektivste Weg, die Bewegungen schneller korrekt ausführen zu können, ist, die einzelnen Prozesse bewusst wahrzunehmen. Macht es euch zur Gewohnheit, euch zuerst vorzustellen, wie die Bewegung aussehen soll, wie sich die Hand dabei anfühlt, wo ihr den Druck auf den Fingerkuppen spürt und wenn möglich, wie es klingen wird. Wir müssen eine möglichst genaue Vorstellung haben, ein Bild vor unserem inneren Auge. Stellt es euch vor, wie einen Videofilm, den ihr in Gedanken ablaufen lasst. Wenn euch das jetzt komisch vorkommt, denkt für einen Moment an etwas, was ihr häufig macht. Zum Beispiel Fussball spielen, tanzen, einkaufen gehen - na? Ziemlich einfach, sich das vorzustellen, oder? Ihr könnt euch selbst in der Situation beobachten, obwohl ihr gerade an einem völlig anderen Ort seid und diesen Text lest. Ihr könnt euch vorstellen, wie es sich anfühlt, den Ball zu spielen, die Tanzschritte auszuführen oder eine Packung Toastbrot aus dem Regal zu nehmen und in den Einkaufswagen zu legen, ihr habt sogar eine abstrakte Vorstellung davon, wie es klingt, wenn die Toastbrotpackung in den Einkaufswagen fällt. Dieselbe Vorstellung müssen wir vom Griffbrett, den Akkorden und ihrem Klang, sowie der Bewegung unserer Hände und Finger haben. Stellt euch also vor, was ihr tun werdet, fühlt euch, als würdet ihr alles korrekt ausführen können, bevor ihr den Akkord greift und es wird bereits nach wenigen Versuchen deutlich besser funktionieren. Versprochen!


Der zweite wichtige Schritt, den ihr beachten solltet, hat mit eurer Konzentration zu tun. Macht euch immer klar, was genau ihr üben möchtet. Wenn es beispielsweise die Position des Zeigefingers im Akkord ist, dann konzentriert euch ausschließlich auf ihn. Schenkt ihm all eure Aufmerksamkeit, bündelt eure Konzentration und setzt den Fokus auf diesen Finger. Sobald ihr merkt, dass es leicht ist, den Zeigefinger richtig zu positionieren, lenkt eure Konzentration wieder auf den gesamten Akkord und beobachtet, was passiert. Seht was bereits gut funktioniert, und was ihr beim nächsten Durchgang besser machen wollt. Konzentriert euch dann wieder auf die Bewegung, die ihr verbessern möchtet. Wenn wir uns nicht auf das wesentliche konzentrieren und z.B. eine komplexe Rhythmik spielen, während wir eigentlich einen Akkord üben wollen, streuen wir unsere Konzentration und ihre Energie, in verschiedene Richtungen. Wenn wir die Energie unserer Konzentration, als Informationsfluss betrachten, schicken wir nur einen Bruchteil dieser Informationen an die Stelle, an der wir sie brauchen. Als würden wir einen Finger auf einen Wasserschlauch drücken. Das Wasser spritzt in alle Richtungen, nur nicht dahin, wo es hin sollte. Es macht also Sinn, alles, was wir während des Übens des Akkordes parallel tun müssen, so einfach wie möglich zu gestalten. So konzentrieren und fokussieren wir uns auf das Wesentliche. 

 

Je öfter ihr das übt, desto selbstverständlicher wird es, dies zu tun. Ihr werdet nach einiger Zeit nicht mehr bewusst darüber nachdenken müssen, denn wie so Vieles, automatisiert sich auch unsere Art zu denken mit der Zeit. Ein positiver Nebeneffekt der Visualisierung ist übrigens, dass unsere Erwartungshaltung um ein vielfaches höher ist, wir optimistischer üben, und Ziele setzen, die über unsere aktuellen Fähigkeiten hinaus gehen. Diese Dinge zählen zu den Grundvoraussetzungen für unseren Fortschritt. 

 

Josha Winkler, 16.01.2024

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